Wissenswertes über die Sprache und Kultur der Zimbern
Cimbern oder Zimbern – mit diesem Wort bezeichnet man die Nachfahren deutscher Siedler, die sich – nach der Auffassung der herrschenden Meinung in der Forschung – wohl zwischen 1050 und 1350 in Oberitalien angesiedelt haben, vor allem im Gebiet der heutigen Provinzen Trient, Verona und Vicenza. In verschiedenen, oft abgelegenen Sprachinseln haben sich die urtümlichen deutschen Dialekte bis ins 20. Jahrhundert als Umgangssprache erhalten; in Lusern, südöstlich von Trient, ist Zimbrisch noch heute neben Italienisch in vielen Familien Alltagssprache.
Der Gleichklang von „Zimbern" mit den Kimbern/Cimbern, einem altgermanischen Stamm, der um 100 vor Christus in Norditalien eingefallen und von dem römischen Feldherrn Marius vernichtend geschlagen worden war, führte in der Zeit der Renaissance dazu, dass man die deutschsprachigen Bewohner der zimbrischen Gebiete als Nachfahren der Kimbern betrachtete. (Woher die Bezeichnung Cimbern/Tzimbar oder Cimbarn kommt, ist nicht gesichert; einiges spricht dafür, dass die Deutschen der „zimbrischen" Gebiete diese Eigenbezeichnung von den Gelehrten der Renaissance-Zeit übernommen haben.)
In den zimbrischen Dialekten haben sich altertümliche deutsche Wörter, Redewendungen und Grammatik-Eigenheiten erhalten. Sprachwissenschaftler gehen auf der Grundlage dieser Relikte davon aus, dass die deutschen Siedler aus dem bayerischen Sprachgebiet kamen, ein Teil vielleicht auch aus dem alemannischen Raum, allesamt also aus dem oberdeutschen Sprachraum.
Eine Hochburg der Zimbern waren die „Sieben Gemeinden" (italienisch: Sette Communi) in den Bergen der heutigen Provinz Vicenza. In Orts-, Flur- und Personennamen, Traditionen und Brauchtum ist viel erhalten geblieben von dem deutschen Erbe auf der Hochebene von Asiago (zimbrisch Sleghe/Schlège).
Dieses germanisch-deutsche Erbe konnte sich durch viele Jahrhunderte in seinem ganzen Reichtum erhalten, weil besonders die Zimbern rund um Asiago politische und kulturelle Autonomie genossen, jahrhunderte lang übrigens in enger Partnerschaft mit der Republik Venedig. Dieses Erbe wurde abgeschwächt und verdängt besonders durch den Nationalismus des 19. Jahrhunderts sowie im Zuge und als Folge des 1. Weltkriegs. Zu allem Übel kam auch noch der Faschismus: Im Staat Mussolinis (1922-1943) wurden die zimbrischen Traditionen und ihre Sprache aus dem öffentlichen Leben verbannt, unterdrückt und geächtet. Diese Politik einer absolut intoleranten Italienisierung hat einen Druck zur Assimilisierung an die italienischsprachige Umwelt erzeugt, der auch nach dem Nachlassen staatlicher Repressionen massiv Wirkung ausübte.
In den letzten 100 Jahren hat das Zimbrische daher nur mehr „im Verborgenen geblüht". Nur wenige alte Bürger von Roana (Provinz Vicenza) beherrschen heute noch die sehr eng mit dem Alt-Bairischen verwandte Sprache - und wäre nicht der Landshuter Sprachforscher Hugo Resch Ende der 1960er Jahre aktiv geworden, wäre sie heute wohl ganz ausgestorben.
Vor allem die zimbrischen Orts- und Flurnamen auf der Hochebene von Asiago, dem Land der Sieben Gemeinden, spiegeln die germanische Prägung und Herkunft der zimbrischen Sprache wider: Im gesamten vicentinischen Bergland sind Wörter gebräuchlich wie Tal, Ebene, Loch, Bise (Wiese), Spitz, Laita (Leite), Gruba, Linta (Platz der Linden) und Lerch (Platz der Lärchen). Es sind Sprachreste, die ganz klar die Verbindung mit dem deutschen Sprachraum belegen. Auch die folgenden geographischen Bezeichnungen sind stille Zeugen der deutschsprachigen Vergangenheit des Zimbernlandes: Contrada Soster (Straße der Schuster), Contrada Stellar (Straße der Ställe), die Coolgruba (Kohlengrube), Rossabegale (Rösserweg), Prunno (Quellplatz), Kaltaprunne (kalter Brunnen) und Rasta (Rastplatz).
Die Sprache, die heute noch von wenigen alten Bürgern in Roana und seinem Ortsteil Mezzaselva lebendig erhalten wird, ist der Dreh- und Angelpunkt bei der Suche nach Antworten auf die Frage nach der Herkunft und dem Wesen der Zimbern: Denn trotz vieler Forschungen und Studien von Historikern und Sprachwissenschaftlern ist diese Frage letztlich bis heute nicht eindeutig geklärt.
Einige namhafte Fachleute gehen davon aus, dass es sich bei den Zimbern um die letzten Nachfahren des Germanenstamms der Langobarden handelt, deren Reich von 568 bis 774 in Italien bestand; sie siedelten besonders in Oberitalien vielfach in geschlossenen Gemeinschaften und konnten hier an verschiedenen Orten lange ihre Sprache und ihre Identität erhalten. Die Mehrheit der Forscher geht freilich davon aus, dass die Zimbern Nachfahren bayerischer Einwanderer sind.
Die bayerischen Kolonisten hätten sich auf der Suche nach Siedlungsland befunden und sich dann zwischen den Flüssen Etsch und Brenta niedergelassen in den vicentinischen und den Veroneser Bergen. Unter der Leitung durch Bischöfe und Grafen hätten sie gerodet, das Land bebaut und gebirgige Gegenden besiedelt, so lässt sich das von den meisten Forschern vertretene Szenario zusammenfassen.
Es gibt auch eine verbindende Position, die davon ausgeht, dass bayerische Siedler in Gegenden zugezogen seien, die von germanischsprachigen, eben langobardischen Volksgruppen bewohnt waren. Linguistische Analysen sprechen für diese Version: Im Zimbrischen finden sich verschiedene Elemente des Altbayerischen, aber auch Elemente aus anderen deutschen Dialekten sowie dem Althochdeutschen und teils auch dem Mittelhochdeutschen.
In jedem Fall ist die zimbrische Sprache die älteste, heute noch lebendige und gesprochene Form des Deutschen. Sie hat eine Reihe von Wörtern und grammatikalischen Besonderheiten bewahrt, die im deutschen Sprachraum längst ausgestorben sind.
Textquelle: www.vg-velden.de
Fotos: Prof. Dr. Anthony Rowley (Vortrag)
Auch wenn schon anno 1602 der Bischof Mark Cornar von Padua den Katechismus "Christlike unt korze Dottrina" als ältestes Buch in cimbrischer Sprache drucken ließ - der große Durchbruch in der Cimbern-Forschung sollte erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgen, als etwa 1836 der renommierte deutsche Sprachforscher Johann Andreas Schmeller auf die Spur der Cimbern stieß.
Schmeller erkannte, dass das Cimbrische ein Mittelhochdeutsch bairisch-tirolerischer Ausprägung ist, das seit dem Hochmittelalter gesprochen wird. Der Forscher räumte schon 1838 mit der sich seit dem 14. Jahrhundert auch unter vielen italienischen Nachbarn hartnäckigen Theorie auf, die Cimbern seien ein versprengter Rest des gleichnamigen Germanenstamms der Zimberm, die vor 2000 Jahren in Oberitalien die Legionen des Consuls Catulus geschlagen hatten, aber nur ein Jahr später durch den Feldherrn Marius bei Vercellae nahe dem heutigen Turin wieder aufgerieben wurden.
Vor der Hungersnot geflüchtet
Schmeller legte 1850 ein Dokument vor, das bis heute als das älteste gilt, welches mit der Herkunft der Cimbern in Zusammenhang steht. "Es belegt eine Auswanderung von einer Reihe von Untertanen der Bayerischen Benediktinerabtei Benediktbeuren zwischen 1053 und 1063 nach Verona, wo seit 1036 der Bayer Walther von Ulm Bischof war", heißt es darüber.
Schmeller: "Dieses einzigartige Dokument beweist eindeutig, dass um 1050 Bauern aus dem westlichen Oberbayern in der Hungersnot nach Verona auswanderten."
Leere Teller und leere Bäuche - das also waren die Hauptgründe, warum einige Bayern den Marsch nach Italien - in eine vermeintlich bessere Zukunft - antraten. Im Gepäck nicht mehr als eine Handvoll Habseligkeiten, ihre Traditionen und die älteste bekannte bairische Mundart - das Urbairisch.
Lied der Zimbern/Liid dar Zimbern
Oben in den Bergen, da sind gute Leute, Alle Wege führen hinein nach Asiago, Mehr als tausend Jahre voller Mühen |
Au in de pèrghe saint-ta guute loite, Alle de beeghe vüürent inn ka Sleeghe, Mèeror dan tausinkh jaardar vòlla maatarn |
Die Hymne zum Anhören
Noten zum Lied der Zimbern
Prof. Dr. Anthony Rowley
ist Geschäftsführer der Kommission für Mundartforschung der bayerischen Akademie der Wissenschaften und Professor für Germanistische Linguistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er hat sich intensiv mit der Sprachinsel des Fersentals befasst.
Anthony Rowley ist wochentags in der vom Bayerischen Rundfunk produzierten Sendung Wir in Bayern zu sehen, für die er die Bedeutung eines von einem Zuschauer zum Rätsel gestellten bayerischen Wortes erklärt.
Quellen: Text: wikipedia.de/A.Rowley; Foto: A. Rowley
Dr. Remigius Geiser, *05.11.1951 in München
studierte 1971-77 an der Ludwig-Maximilians-Universtität München Biologie. Mit seiner Diplomarbeit über die Käferfauna der Fichten-Rindenhaufen erwarb er 1977 den Titel des Diplom-Biologen. Nach freier Mitarbeit am Lehrstuhl für Landschaftsökologie der Technischen Universität München - Weihenstephan - in der Zeit von 1978-83 und als Assistent am Lehrstuhl für angewandte Zoologie der Technischen Universität München - Weihenstephan - in den Jahren 1984-87 ist Dr.h.c. Geiser seither als Privatgelehrter in Salzburg tätig.
Fachgebiete: Faunistik, Ökologie und Artenschutz mitteleuropäischer Käfer (Coleoptera) sowie Fragen des Darwinismus und der Soziobiologie.
Remigius Geiser ist Mitglied in zahlreichen Vereinen, u. a. ist er Vorstandsmitglied im Curatorium Cimbricum Bavarense, München und Vizepräsident des Kulturvereins "Freunde der Zimbern" in Salzburg.
Quelle: http://remigius.org/
Hugo Resch, *17.03.1925 in Landshut, † 14.08.1994
Nachdem Johann Andreas Schmeller im Jahr 1855 sein Cimbrisches Wörterbuch veröffentlicht hatte, nahm die Welt der Sprachkundler rund 100 Jahre lang keinerlei Notiz mehr von Terra Cimbra. Bis in den 1950er Jahren das Arbeitsamt Landshut einen seiner Mitarbeiter in die Region aussendet, um italienische Gastarbeiter anzuwerben. Es ist Hugo Resch, der in den Alpen auf die Cimbern trifft, und deren archaisches Bairisch ihn gleichermaßen fasziniert und verblüfft. Die ihm unbekannte Mundart soll zu seiner großen Leidenschaft werden. In der Folge reüssiert der Niederbayer zu einem der herausragenden Cimbern-Forscher der Nachkriegszeit und sammelt auf seinen vielen Reisen in die besiedelten Gebiete eifrig zimbrische Wörter, die er in der Heimat mit Hilfe von befreundeten Sprachwissenschaftlern entschlüsselt und die so zu einem wertvollen Fundus heranreifen. Auf dieser Arbeit begründeten sich vor mehr als vier Jahrzehnten die Anfänge des Cimbern-Kuratorium Bayern e. V.
Wissenschaftliche Erläuterungen zu Hugo Reschs Wörterbuch von Prof. Dr. Anthony Rowley
► PDF-Dokument zum Herunterladen
Zum 30. Todestag von Hugo Resch - Erinnerungen von Christine Fischer-Resch und Herbert Fischer
► 24-seitige deutsch-italienische Broschüre zum Leben & Wirken von Hugo Resch zum Herunterladen
Johann Andreas Schmeller
war ein Germanist und bayerischer Sprachforscher, dessen großes Verdienst das vierbändige Bayerische Wörterbuch ist. Der Sprachwissenschaftler und Bibliothekar war einer der wichtigsten Mundartforscher des 19. Jahrhunderts.
Weiterführende Informationen:
www.wikipedia.de
Schmeller begann 1816 mit der Arbeit an seinem "Bayerischen Wörterbuch". Die ersten beiden Teile erschienen 1827, der dritte und vierte erst 1837, nachdem Schmeller 1829 Custos an der Münchner Hofbibliothek, der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek geworden war. Die zweite Auflage des Wörterbuchs, die 1872 und 1877 Georg Karl Frommann (1814-1887) herausgab, ist bis heute ein Standardwerk geblieben. Der mit dem "Bayerischen Wörterbuch" von Schmeller neu geschaffene Typus des historischen großlandschaftlichen Dialektwörterbuchs fand zahlreiche Nachfolger.
Schmeller's Bayerisches Wörterbuch finden Sie auf der Website der Bayerischen Landesbibliothek in einer Online-Version.
Innerhalb dieses 2024 neu angelegten Bereichs "Bekannte zimbrische Persönlichkeiten" wollen wir Sie mit Persönlichkeiten aus den zimbrischen Sprachgebieten bekannt machen, die durch ihr Denken & Wirken - und/oder andere Umstände - eine große Bekanntheit in ihrer Heimat genießen, darunter Künstler, Musiker, Dichter ...
Mario Rigoni Stern
wurde 1921 in Asiago in der Provinz Vicenza geboren. Er wuchs in der Umgebung des venezianischen Voralpenlandes auf, in engem Kontakt mit der Natur. 1953 begann seine literarische Karriere mit einem Buch, in dem er seine traumatischen Erfahrungen während des Russlandfeldzuges thematisiert.
Rigoni Stern ist ein Dichter seiner Heimat; sein Roman "Tönle", sein wichtigstes Werk, wurde 1979 mit dem Premio Bugatta ausgezeichnet.
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Marco Martalar
ist ein venezianischer Künstler ...
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