Kulturfahrt 2022
Sieben Gemeinden & Besuch der Zimbern in Vallarsa
mit Feier des 80. Geburtstags von Sergio Bonato
von Heike Arnold
Erste Station der fünftägigen Pfingstfahrt nach Norditalien war der reizende mittelalterliche Ort Egna/ Neumarkt in Südtirol. Dort Treffen mit dem Sonderbeauftragten des Einheitskomitees für historische deutsche Sprachinseln in Italien, Luis Thomas Prader. Während des Mittagessens kurze Einführung in die Arbeit des Komitees und Vorstellung der neuesten Publikation Sprachinseln im Aufblühen, die zum 20. Bestehen des Komitees veröffentlicht wurde.
Weiterfahrt zum Hauptziel Roana/Robaan, Partnergemeinde des Marktes Velden und Einquartierung im Albergo All‘Amicizia bei Francesco Rebeschini.
Tag 2 der Reise begann mit dem Besuch des Centro Culturale /Haus dar Bìzzekhot in Rotzo/Rotz und der Besichtigung der kleinen, ältesten Kirche der Hochebene, Santa Margherita, die etwa 1100 entstanden ist. Es folgte ein Halt am Geburtshaus des Agostino dal Pozzo/Agustin Prunnar (1733-1798) in Castelletto/Purkh. Weiterfahrt zum Bostel/Postel, einer archäologischen Ausgrabungsstätte mit den Resten eines Dorfes der Veneter und Räter aus der Eisenzeit (5. bis 1. Jahrhundert v. Chr.), die auf Funde Dal Pozzos 1781 zurückgeht. Mittagessen im Ristorante K2 in Mezzaselva/Mitteballe, gefolgt von einem Spaziergang durch den Skulpturen-Kunstpfad Selvart, den der Holzbildhauer Marco Martalar im Jahr 2019 als Erinnerung an den verheerenden Sturm Vaia angelegt hat. Die geplante Besichtigung des hübsch angelegten Laghetto/Lonaba (Lahnaue) im Spilleck von Roana konnte bei einsetzendem Regen leider nur aus dem Bus heraus erfolgen.
Am Abend fand zu Ehren von Prof. Sergio Bonato Khuntz, Leiter des Zimbrischen Kulturinstituts/Haus dar Zìmbrischen Bìzzekhot von Roana/Robaan ein zimbrischer Abend statt. Sergio Bonato, der am 27. Mai seinen 80. Geburtstag hatte, freute sich sichtlich über die Grüße und Geschenke des Kuratoriums und der Marktgemeinde Velden. Die musikalische Umrahmung mit zimbrischen, italienischen und bairischen Liedern übernahmen nach einem ausgezeichneten Abendessen die Zimbern Pierangelo Tamiozzo, das Duo Vellar (Aldo & Ilaria Vellar) sowie das eigens für diesen Anlass gegründete urbairische Duo Hans & Bernhard (Hans Geiselbrechtinger/Bernhard Stör). Bis weit nach Mitternacht erfreute sich das dankbare Publikum an der schönen Musik und der familiären Atmosphäre.
Wunsch nach Frieden und
Freiheit in Vielfalt
Begleitet von Gianluca Rodeghiero, einem der italienischen Beisitzer des Kuratoriums, startete der Sonntagvormittag mit dem Besuch einer Käserei und interessanten Gesprächen über die Weidewirtschaft auf den Hochebenen.
In Asiago, dem Hauptziel des Pfingstsamstags, angekommen, führte der erste Weg der Reisegruppe zum Monumento, wo in einer kleinen Zeremonie mit Niederlegung eines Blumengrußes an die insgesamt 54.285 Soldaten des 1. Weltkriegs (drei aus dem 2. Weltkrieg) gedacht und für die gegenwärtig um ihre Freiheit, Sprache und Kultur kämpfenden Ukrainer Fürbitten verlesen wurden.
Am Nachmittag Weiterfahrt nach Lusern. Dort begrüßte Luigi Nicolussi Castellan die Reisegruppe und informierte als Leiter des Dokumentationszentrums über die Maßnahmen, die in dem kleinen Ort unternommen werden, um das Luserner Zimbrisch zu erhalten und an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Im Kulturinstitut der Kommune wird u. a. die wöchentliche Nachrichtensendung Zimbar Earde produziert, die im Fernsehen RTTR (Radio Tele Trentino Regionale) und auf dem eigenen YouTube-Kanal zu sehen ist. Die Besichtigung des kleinen, ausgezeichnet ausgestatteten Luserner Museums mit aktuellen Ausstellungen über die Rückkehr der Wildtiere und zur Geschichte alter Handwerksberufe hinterließ einen nachhaltigen Eindruck, ganz besonders bei der mitgereisten Alt-Bürgermeisterin von Wurmsham, Maria Neudecker. Als Vorsitzende des Veldener Museumsvereins setzt sie sich für eine Erweiterung und Modernisierung des Heimatmuseums in Velden ein – und das Museum in Lusern könnte dabei als Vorbild dienen.
Alte Sprache „Zimbrisch“
im Laimbachtal wiederbeleben
Der Pfingstsonntag stand im Zeichen der erstmaligen Begegnung mit traditionsbewussten Laimbachtaler Zimbern. Wie von DDr. Hugo-Daniel Stoffella und Bürgermeister Luca Costa beim Empfang in Parrocchia zu erfahren war, bemüht man sich seit etwa 10 Jahren intensiv darum, aus wenigen verbliebenen Resten zimbrischer Sprachwurzeln ein Wiederaufblühen der Sprache zu erreichen. Beim Besuch des noch im Aufbau befindlichen Heimatmuseums und der Kirche wurden erste Ergebnisse der Bemühungen, darunter ein zimbrisches Wörterbuch, präsentiert.
Nach dem Mittagessen im Hotel Aurora erfolgte der Aufbruch zum Maso-Covel-Hof – einem Bio-Hof inmitten einer wunderbaren Landschaft, der nur zu Fuß erreichbar ist. Der nicht ganz unbeschwerliche, ca. 20-minütige Weg wurde belohnt mit einer Verkostung biologisch angebauter Weine aus Vallarsa, begleitet von einheimischen, ebenfalls biologisch produzierten Spezialitäten der Jungbauernfamilie. Überrascht von einem heftigen Gewitter wurde der abenteuerliche Abstieg zum Bus trotz der gekauften Weine unterm Arm im Eiltempo zurückgelegt. Dank der exzellenten Fahrkünste unseres Bus-Chaffeurs Christian Pitz wurde das Hotel Aurora trotz Starkregens unfallfrei erreicht.
Am Pfingstmontag, dem letzten Tag der Cimbernfahrt, ging es über zahlreiche Spitzkehren von Parrocchia aus in die historische Altstadt von Rovereto, wo die kulturell interessierten Reisenden von der Begleiterin Angela Negri Wissenswertes über die alte Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten erfahren konnten.
Von Rovereto aus Heimfahrt über San Michele zur Familie Zeni, wo seit ewigen Zeiten auf dem Weg in die Sieben Gemeinden und/oder zurück bestens gegessen und fröhlich gesungen wird. Bestätigen konnten diese Tradition Marille und Franz Stanglmayr aus Velden, die stellvertretend für alle seit Jahrzehnten Mitreisenden eine Treueurkunde aus der Hand des Kuratoriumsvorsitzenden Jakob Oßner entgegennehmen durften.
Während aller Reisetage wurden die Teilnehmer im Bus und unterwegs mit geschichtlichen Erläuterungen durch Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter bestens unterhalten und informiert. Er versteht es wie kaum ein anderer, Geschichtswissen lebendig und humorvoll zu erzählen – ein Genuss!
Zur lehrreichen Kulturfahrt in die Sette Comuni/Siban Kamaüne trugen auch die Erläuterungen von Max Aschenbrenner bei, unserem Experten für die ladinische Sprache und Kultur und Vorstandsmitglied des Kuratoriums. Äußerst interessant waren außerdem die Ausführungen des ehemaligen Geschäftsführers der VHS Burghausen, Harald Rautter, der Wissenswertes über den Futurismus der 1920er Jahre zu erzählen wusste, dem die Reisegruppe in Rovereto mehrfach in Form architektonischer Besonderheiten begegnet war.