Kulturfahrt 2023
Kulturfahrt in die Karnischen Alpen:
Sappada/Plodn, Udine, Cividale, Gemona, Venzone
von Reinhard Heydenreuter
Anm. der Red.: Leider können wir den ausführlichen und äußerst interessanten Reisebericht von Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter, der die Fahrt begleitet hat, nicht vollumfänglich auf unserer Website veröffentlichen. Der ungekürzte Bericht steht Ihnen als PDF zum Herunterladen zur Verfügung (s. Ende des nachfolgenden Textes)
1. Tag, Freitag, 23. Juni 2023
München-Innsbruck-Bruneck-Gadertal-Sextental-Kreuzbergpass-Sappada (Plodn)
Wir beginnen unsere Fahrt in München-Fröttmaning, wo der von Landshut kommende Bus die Reisenden aus der Landeshauptstadt aufnimmt. Wir fahren dann auf der Salzburger Autobahn durch den Hofoldinger Forst an Holzkirchen vorbei über die Mangfallbrücke und sehen rechts die erste schöne Kirche liegen, das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Weyarn. Gegründet 1133 durch Siboto II. von Falkenstein wurde Weyarn wie alle bayerischen Klöster im Jahre 1803 säkularisiert, es birgt einige bemerkenswerte Kunstwerke, vor allem Schnitzereien des Münchner Rokoko-Bildhauers Ignaz Günther (1725-1775). Seit 1998 sitzt im Klostergebäude der Deutsche Orden.
Rechts liegt der sanfte Höhenzug des Taubenbergs. Von hier aus beziehen die Münchner (heute nur noch zum Teil!) ihr Trinkwasser: Die Idee, die Quellen des Mangfalltals anzuzapfen, hatte der Hygieniker Max von Pettenkofer, der nach den verheerenden Choleraepidemien in München die Versorgung mit frischen Trinkwasser in die Hand nahm. 1883 sprudelte aus einem Brunnen am Sendlinger Tor dann zum ersten Mal Wasser vom Taubenberg. An die Fertigstellung der Trinkwasserversorgung (die für die alten Römer eine Selbstverständlichkeit war, aber im Mittelalter vergessen wurde!) erinnert das berühmte Denkmal von Adolf von Hildebrand (Wittelsbacherbrunnen, 1895) am Lenbachplatz in München. Es stellt die Urkräfte des Wassers dar und ist im vornehmen römischen Stil gehalten (auch der Trevi-Brunnen in Rom feiert in ähnlicher Weise die römische Wasserversorgung!).
Wir kommen zum Irschenberg, dem höchsten Punkt der Salzburger Autobahn (700 m). Von hier aus kann man an klaren Tagen bis zu 130 Kirchtürme sehen. Der Name des Irschenbergs führt uns in die vorbayerische Zeit zurück, denn in dieser Ortsbezeichnung steckt das lateinische Wort Ursus=Bär. Romanische Siedler finden sich in Bayern und in den Urkunden bis ins 11. Jahrhundert. In der Wallfahrtskirche Wilparting auf der rechten Seite werden die beiden irischen oder romanischen Heiligen Marinus und Anianus verehrt, die hier im Jahre 697 bei ihren Missionsversuchen von den heidnischen Alpenbewohnern erschlagen wurden.
Links fällt die Riesenkuppel der Kirche von Westerndorf auf. Der eigenwillige Frühbarockbau von 1668, der wohl Wallfahrer anlocken sollte, ist ein Werk des Münchner Baumeisters Konstantin Bader.
Brannenburg ist die Talstation der ältesten deutschen Bergbahn (1912), die in einer Länge von 10 km als Zahnradbahn auf den 1858 m hohen Wendelstein führt. Dieser vielbesuchte Gipfel wurde bereits im 16. Jahrhundert bestiegen. Auf 1730 m Höhe befindet sich die 1889 erbaute höchste Kapelle Deutschlands. Der Gipfel ist technisch mit einer Sendeanlage, einer meteorologischen Station und einem Sonnenobser-atorium bestens ausgestattet. Aus der Gegend von Brannenburg stammt die Familie Dientzenhofer, die in Franken (Residenz Bamberg, Kloster Banz) und Böhmen (barocke Umgestaltung von Prag) Karriere gemacht hat.
Rechts oben ist in einiger Entfernung die Burgruine Falkenstein zu sehen. Die Herren von Falkenstein, die uns schon in Weyarn als Klostergründer und Vogte begegnet sind, gehörten zu den mächtigsten Geschlechtern Bayerns, bis der letzte von ihnen, ein Siboto IV. im Jahre 1272 von seinem ehemaligen Vasallen Otto von Brannenburg im Bade ermordet wurde. Wahrscheinlich steckten die Wittelsbacher hinter diesem filmreifen Mordanschlag, denn sie erbten den riesigen Besitz der Falkensteiner. Dieser Besitz, die Grafschaft Falkenstein, reichte von Brixlegg in Tirol bis nach Aibling. Hier spielte der Ort Vagen als einer der Stammsitze eine besondere Rolle, was die Historiker zur Annahme verleitete, dass die Falkensteiner zu den bevorzugten Geschlechtern der Lex Bajuvariorum gehörten. In diesem ersten Gesetz der Bayern aus dem 8. Jahrhundert ist nämlich eine Bestimmung, dass neben den Agilolfingern auch so genannte Fagana, neben den Huosi, Drozza, Hahilinga und Annionae zu den bevorzugten Geschlechtern (genealogiae) des Landes gehören sollen. Die Falkensteiner waren auch Vogte des reichen Klosters Herrenchiemsee und auf der Höhe bei ihrer Burg Falkenstein gründeten sie 1130 das über Falkenstein thronende Kloster St. Petersberg-Madron, das sie dann dem Bistum Freising übergaben. Der romanische Kirchenbau aus dem 12. Jahrhundert ist noch erhalten. Erhalten geblieben ist auch unterhalb der Burg der einzige alte Turnierplatz Oberbayerns.
Auf der linken Innseite, die schon zu Tirol gehört, liegt Erl mit seinem 1958 errichteten Passionsspieltheater. Die dortigen Passionsspiele sind angeblich älter als die von Oberammergau. Sie werden alle sechs Jahre gespielt (das nächste Mal 2025). Der Bau, der 1500 Besucher fasst, ist nicht beheizt. Inzwischen wird der Bau wegen seiner Akustik auch für Opernaufführungen genutzt (Tiroler Festspiele). 2012 wurde dann noch zusätzlich ein beheizbares Winterfestspielhaus gebaut.
Seit 2023 ist der klassische Sänger Jonas Kaufmann Intendant der Tiroler Festspiele Erl.
Direkt an der Autobahn steht rechts die ehemalige Klosterkirche Reisach. Sie wurde von einem reichen Münchner Beamten des 18. Jahrhunderts, dem Hofkammerrat Johann Georg von Messerer gestiftet (die 1550 gegründete Hofkammer war die Vorläuferin des heutigen Finanzministeriums, die dortigen Beamten kamen meistens aus der Wirtschaft). Messerer, der als Braumeister in Aibling reich geworden ist, erwarb 1721 Schloss und Hofmark Urfahrn und baute neben das alte Schloss, das heute noch steht, ein neues Schloss und die Klosteranlage. Fertig waren Kloster und Kirche Reisach 1746, Architekt der Anlage war Ignaz Anton Gunezrhainer aus München. Aus München kamen auch die Ordensleute, die Karmeliter, ein Bettelorden. Deswegen eine vergleichsweise bescheidene Ausstattung (keine Deckengemälde), aber einer der besten bayerischen Barockbildhauer, Johann Baptist Straub, schuf für vier Altäre die Figuren sowie ein großes Kruzifix. 1802 wurde das Kloster wie alle anderen Klöster in Bayern säkularisiert, doch zogen unter König Ludwig I. 1835 wieder die (unbeschuhten) Karmeliter ein. Sie blieben bis 2019, zuletzt waren es polnische Ordensleute. Die Kirche und das Kloster gehören jetzt dem Freistaat.
Die Kirche ist einsturzgefährdet und nicht zugänglich. Im 2. Weltkrieg waren in Reisach die Bestände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs ausgelagert.
Die erste Stadt Tirols ist das schöne Kufstein auf der linken Seite. Im Hintergrund sehen wir die malerische Silhouette des Kaisergebirges, das nach dem Bau der Eisenbahn zum ersten Klettergebirge der Münchner Bergsteiger wurde. Die mächtige Burg Geroldseck birgt die sogenannte Heldenorgel, die täglich gespielt wird und fünf Kilometer weit zu hören ist. Sie trägt die Widmung: „Zum frommen Gedenken aller in den Weltkriegen gefallenen Helden Österreichs und Deutschlands“. Geroldseck als Grenzfestung zwischen Tirol und Bayern war immer heftig umkämpft. Besonders spektakulär sind die Ereignisse vom Jahr 1504. Damals gehörte Kufstein (und die Gerichte Kitzbühel und Rattenberg) zum Herzogtum Bayern-Landshut, dessen letzter Herrscher Georg der Reiche 1503 starb. Nun entbrannte der Landshuter Erbfolgekrieg um die Nachfolge zwischen den Pfälzern und den Münchner Wittelsbachern. Den Münchnern half der spätere Kaiser Maximilian, dessen Schwester mit dem Münchner Herzog Albrecht (der Weise) (regierte bis 1508) verheiratet war. Die Burg Geroldseck war von Anhängern des pfälzischen Kurfürsten besetzt und wurde von dem Adeligen Hans von Pienzenau verteidigt. Maximilian zog mit seinen zwei besten, in Innsbruck gegossenen Kanonen Purlepanz und Weckauf vor die Festung. Diese größten Kanonen der Welt besaßen eine ungeheure Feuerkraft. Man konnte mit beiden Geschützen bis 100 kg schwere Eisenkugeln verschießen – eine für die damalige Zeit einmalige Leistung. Aufgebracht war Maximilian vor allem deswegen, weil Hans von Pienzenau, der die Burg für uneinnehmbar hielt, von den Zinnen aus seinem Kaiser und Herrn seinen Nackta.... zeigte und die Kugeleinschläge mit dem Besen abwischen lies. Diesen Spott sollte er büßen, denn nachdem die zwei Kanonen die Festung in Trümmer geschossen hatten, musste er kapitulieren und wurde zusammen mit seinen Genossen wegen Hochverrats öffentlich vor der Burg hingerichtet. Freilich widersprach dieser Racheakt des letzten Ritters dem Ehrenkodex der Zeit und erregte erhebliches Aufsehen. Als Lohn (Interesse) für seine Unterstützung des Münchner Herzogs erhielt Maximilian die drei Tiroler Gerichte Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg, die natürlich wegen ihrer Erzvorkommen interessant war. Der bayerische Herzog Albrecht der Weise erbte den nicht unbeträchtlichen Rest des Landshuter Gebiets, darunter neben Landshut und Niederbayern etwa auch Wasserburg und Ingolstadt.
In Wörgl zweigt die österreichische Westbahn ab, die dem Brixental Richtung Kitzbühel und dann weiter nach Zell am See, Hallein und Salzburg folgt. Der Streckenabschnitt zwischen Hallein und Wörgl wird nach der Tochter von Sissi und Kaiser Franz Joseph auch Giselabahn genannt.
Links liegt Rattenberg, die kleinste Stadt Tirols, denn das Stadtgebiet reicht nicht weiter als bis zur alten Stadtmauer. Alles andere gehört zur Gemeinde Kramsach. Bis 1504 gehörte die Stadt, die schon 1393 oberbayerisches Stadtrecht erhielt, zum Herzogtum Bayern-Landshut. Typisch für Rattenberg sind die zahlreichen Erker. In Rattenberg wurde eine früher sehr prominente Heilige geboren, deren Leben freilich nur sehr fabelhaft überliefert ist: Die Hl. Notburga, die Schutzheilige der Dienstboten. Ein Denkmal in Rattenberg und viele Statuen in süddeutschen und Tiroler Kirchen erinnern an die Heilige, die nach der Legende bei einem Bauer in Dienst stand und gewohnt war, beim Aveläuten die Arbeit einzustellen und zu beten. Als ihr eines Tages der Bauer wegen eines drohenden Gewitters befahl, trotz Aveläuten die Arbeit fortzusetzen, warf sie ihre Sichel in die Luft und sagte: „Die Sichel soll bezeugen, dass ich meine Arbeit zu Recht unterbreche!“ Und tatsächlich blieb die Sichel zum allgemeinen Erstaunen wie aufgehängt in der Luft stehen, was den Bauern wohl überzeugte. Seitdem wird die Hl. Notburga mit der Sichel als ihrem Attribut dargestellt. Ihre Reliquien ruhen in der früher viel besuchten Wallfahrtskirche Eben am Südende des Achensees.
Neben der Burg von Rattenberg, in der früher die Herren von Rothenburg, dann die bayerischen und die Tiroler Beamten residierten, befindet sich ein Freilichttheater (Burgfestspiele). Hier wird die Geschichte des Tiroler Kanzlers Wilhelm Bienner aufgeführt, der auf der Burg 1651 unschuldig hingerichtet wurde. Heute ist die malerische Stadt vor allem wegen ihrer Glasveredelungskunst berühmt. Die Glasschleifereien locken zahlreiche Touristen in die Glasstadt Tirols.
Links öffnet sich jetzt das Zillertal, mit 30 km das längste Seitental des Inntals. Über den Gerlospass (1531 m) gelangt man hier in den Salzburger Pinzgau. Am Talende liegt Mayrhofen, wo das Tuxertal die Skifahrer anlockt. Am Eingang zum Zillertal, das bis 1808 dem Fürsterzbischof von Salzburg gehörte, liegen als Wachhunde die Schlösser Lichtwerth und Matzen. Im Schloss Neumatzen wohnte der Liederkomponist Hugo Wolf (†1903), den freilich in seinen letzten Jahren seine geistige Umnachtung wenig Raum zum Komponieren lies. Seinen Namen hat das Tal vom Zillerfluss, der bis 1504 hier die Grenze zwischen Bayern und Tirol bildete. Wenn wir kurz in das Zillertal hineinfahren, das wegen seiner allzu geschäftigen Bewohner (Hausierer) einst einen schlechten und wegen seiner Sänger einen guten Ruf hatte, kommen wir zum Ort Fügen, von dem aus das berühmte Weihnachtslied Stille Nacht, heilige Nacht in alle Welt verbreitet wurde. Es war nämlich der Fügener Orgelbauer Karl Mauracher, der die Orgel in Oberndorf bei Salzburg 1819 reparierte und bei dieser Gelegenheit das an Weihnachten 1818 aufgeführte, von dem Lehrer, Organisten und Mesner Franz Xaver Gruber komponierte und dem Hilfspriester Joseph Mohr gedichtete und fast schon vergessene Lied aufschrieb und den Zillertaler Nationalsängern, der Familie Rainer, mitteilte, die es dann in der ganzen Welt verbreitet haben.
Rechts zweigt die Straße zum Achensee ab und dann liegt rechts Jenbach, die Endstation der Zillertalbahn. Auffallend sind am Hang die gelben sogenannten Umsiedlungshäuser, die 1939 für diejenigen Südtiroler (die Mehrzahl) errichtet wurden, die für die Auswanderung optierten. Dieses zwischen Hitler und Mussolini verhandelte Abkommen von 1938 wurde wegen des ausbrechenden Krieges nur zum Teil durchgeführt. Die vielfach weit außerhalb Südtirols (Elsass, Polen, Böhmen) neu angesiedelten Optanten kehrten verarmt und enttäuscht zurück, falls sie nicht in Nordtirol oder Deutschland eine Bleibe gefunden hatten. Darüber später.
Rechts auf der Höhe liegt das heute noch vorzüglich erhaltene Schloss Tratzberg. Es befindet sich seit 1847 im Eigentum der Grafen Enzensberg und kann besichtigt werden. Mit der Geschichte der Burg ist vor allem die Familie der Freiherren von Tanzl zu Tratzberg verbunden, die erstmals um 1350 in Innsbruck beurkundet ist und die als Bergwerksunternehmer in Schwaz reich wurde. Der Bergherr, Jagdgefährte und Freund des Kaisers, Maximilian Veit Jakob Tanzl, erhielt 1499 im Tausch gegen Burg Berneck im Kaunertal die Brandruine der Burg Tratzberg, die er 1500 bis 1515 zum Schloss ausbaute und nach der er sich schließlich Freiherr Tanzl von Tratzberg nannte. Die Tanzl konnten gegen andere Bergherrn wie die Fugger nicht bestehen und machten 1525 und dann wieder endgültig 1552 Konkurs. Sie verließen in der Folgezeit Tirol und gingen nach Schwaben (wahrscheinlich hängt das in Kaufbeuren gefeierte Kinderfest - Tanzelfest – mit der Familie zusammen, obwohl man die Anfänge in das Jahr 1497 setzt: Besuch des späteren Kaisers Maximilian!) und später in die Oberpfalz. Das Geschlecht ist 1935 in männlicher Linie auf Schloss Dietldorf (Burglengenfeld in der Oberpfalz) ausgestorben. Die heute noch blühenden Freiherren Tanzl von Tratzberg sind adoptiert. 1560/70 wurde das Schloss Tratzberg durch einen anderen Bergherrn, dem Augsburger Georg von Ilsung zu einem prachtvollen Renaissanceschloss umgebaut. Nach dessen Tod 1589 erbten die ebenfalls am Schwazer Bergbau beteiligten Fugger das Schloss.
Im 15. und 16. Jahrhundert war das Inntal, vor allem die Gegend um Schwaz, mit ihren Silber- und Kupfergruben das Ruhrgebiet des ausgehenden Mittelalters und der Tummelplatz des süddeutschen Großkapitals. Jährlich wurden bis zu 16.000 Zentner Kupfer und bis zu 300 Zentner Silber gewonnen. Insgesamt wurden in den Jahren der Blütezeit (von 1470-1560) drei Millionen Kilogramm Silber und 100.000 Tonnen Kupfer gewonnen. Das Silber ging nach Hall in die Münze, wo die ersten Taler, die deutschen Silbergulden (genannt nach Joachimsthal in Böhmen) geprägt wurden oder es ging direkt an die großen Bankiers wie die Fugger, die dem Kaiser Kredite gegeben hatten. Das Kupfer war für die Waffenproduktion wichtig und ging vor allem nach Innsbruck, Augsburg und Nürnberg, wo u. a. Kanonen für die kaiserliche Artillerie hergestellt wurden. Links taucht jetzt die alte Bergstadt Schwaz auf, das Zentrum des Silber- und Kupferbergbaus im Inntal des 15. und 16. Jahrhunderts, der die Habsburger reich und mächtig gemacht hat. Ohne die 1410 entdeckten Silber- und Kupfergruben in Schwaz wäre die Großmachtpolitik eines Kaisers Maximilian (Erwerb von Burgund und Spanien) und damit der Aufstieg der Habsburger nicht möglich gewesen. Der in die Schwazer Silbergruben investierende reichste Privatmann des 16. Jahrhunderts Jakob Fugger setzte mit 600.000 Gulden 1519 die Wahl von Maximilians Enkel Karl V. zum Kaiser durch. Wegen der vielen Bergleute war damals Schwaz mit 20.000 Einwohnern nach Wien die zweitgrößte Stadt Österreichs. Das zeigen auch die Ausmaße und die Ausstattung der spätgotischen Pfarrkirche zu Unserer Lieben Frau, deren Dach mit 25.000 gehämmerten Kupferplatten belegt ist und die zwei gigantische Kirchenschiffe besitzt, eines für die Bürger, eines für die Bergknappen. Als Bauherr dieser eindrucksvollen Anlage wird der Münchner Bildhauer Erasmus Grasser genannt. Man konnte sich sogar 1503 einen Hochaltar des Nürnbergers Veit Stoß leisten, der heute verloren ist.
Über Schwaz thront die Burg Frundsberg, Stammsitz der Ritter von Frundsberg (Freundsberg). Deren berühmtester Landsknechtsführer Georg von Frundsberg (1473-1528), kämpfte 1504 im Bayerischen Erbfolgekrieg erfolgreich für den Kaiser und fügte 1513 in der Nähe von Vicenza zusammen mit spanischen Truppen einer zahlenmäßig überlegenen venezianischen Armee eine vernichtende Niederlage zu und nahm schließlich in der Schlacht von Pavia am 24. Februar 1525 den französischen König Franz I. gefangen. Als Vater der Landknechte führte er nicht nur das Exerzieren ein, sondern entwickelte neue und wirksame Kampftechniken, etwa die Bildung von Geviert- oder Gewalthaufen durch Pikeniere, eine Taktik, die später von den Spaniern mit ihren berüchtigten Karrees verbessert wurde. Georg von Frundsberg wusste, dass die Zeit der Kavallerie weitgehend vorbei war und setzte auf die Infanterie. 1527 konnte er die Plünderung Roms nicht verhindern, nachdem seine Landsknechte wegen ausstehender Soldzahlungen revoltiert hatten. Damals war er schon körperlich am Ende und starb 1528 auf der Mindelburg in der Herrschaft Mindelheim, wohin 1467 seine Vorfahren von Schwaz aus gezogen waren. Seine Büste steht in der Walhalla und sein Standbild an dem 1903 im historischen Stil gebauten Rathaus von Mindelheim.
1943 wurde auf Befehl Adolf Hitlers die SS-Panzer-Grenadier-Division 10 in 10. SS-Panzerdivison Frundsberg umbenannt. Die Familie Frundsberg starb mit ihrem Enkel Georg II. 1586 in männlicher Linie aus. Die Herrschaft Mindelheim kam nach langen Erbstreitigkeiten 1616 an Herzog Maximilian I. von Bayern, dem späteren Kurfürsten.
Gegenüber von Schwaz direkt an der Autobahn rechts liegt das Benediktinerkloster Viecht. Gegründet wurde es um 950 in den Bergen auf einem steilen Felsen unterhalb des Karwendelgebirges als ältestes Kloster des Inntals und erhielt den Namen Georgenberg. Stifter war ein gewisser Ratold aus dem Geschlecht der Rapotonen, denen die Grafschaft im Unterinntal gehörte. Das Kloster blühte trotz seiner Abgeschiedenheit auf und wurde 1138 zur Abtei erhoben. Zum Gnadenbild der Maria unter den Linden entwickelte sich eine lebhafte Wallfahrt, die bis heute nicht ihre Anziehung verloren hat. Nach mehreren Bränden wurde das Kloster 1706 in das Inntal verlegt. 1741–1743 wurde die Stiftskirche mit Stukkaturen des Wessobrunners Franz Xaver Feuchtmayr und mit Deckenfresken des Augsburger Matthäus Günter errichtet. Wattens ist dank der Firma Swarowski zum industriellen Zentrum des Inntals geworden. Daniel Swarowski aus dem böhmischen Gablonz gründete 1895 mit 33 Jahren in einem verlassenen Fabrikgebäude wegen der dort vorhandenen Wasserkräfte ein Unternehmen zur Herstellung geschliffener Kristallsteine. Die Anregung hatte er als 18-jähriger, kurz nachdem er Böhmen verlassen hatte, bei der Weltausstellung in Wien empfangen. Als er 1954 mit 96 Jahren starb, hatte er das größte Industrieunter-nehmen Tirols und das größte private Industrieunternehmen Österreichs geschaffen. Heute macht Swarowski seinen Umsatz von fast 3 Milliarden Euro neben Schmuck und allen Arten von Leuchten vor allem mit optischen Geräten, mit Schleifmitteln (Tyrolit) und sonstigen industriell und militärisch nutzbaren Geräten. Als Attraktion für die Besucher wurden 1995 von André Heller die Swarowski Kristallwelten als Kunstmuseum geschaffen, das 2015 umgebaut und erweitert wurde. Künstler, Designer und Architekten interpretieren in den Kristallwelten das Thema Kristall. Im Garten der Anlage befindet sich als Höhepunkt der Ausstellung eine Kristallwolke aus 800.000 Kristallen.
Das Sammeln von teuren Swarowski-Kristallfiguren ist weltweit in den besseren Kreisen zu einer (im sittlich gefestigten Niederbayern unbekannten) Leidenschaft geworden.
Direkt links an der Autobahn steht das orientalisch anmutende Kirchlein S. Karl Borromäus in Volders. Die Idee, die Finanzen und die Pläne für das Kirchlein, an dem ursprünglich ein Kloster (der Serviten) angeschlossen war, stammen von Hippolyt Guarinoni (1571-1654), einem Arzt, Schriftsteller und Universalgelehrten. Guarinoni, ein besonders glaubenseifriger Mann, der in Trient geboren wurde und in Hall starb, hatte als Page beim Hl. Kardinal und Erzbischof Karl Borromäus (1538-1584) in Mailand gedient. Karl Borromäus, der schon 1610 heilig gesprochen wurde und der bald zum Patron des Habsburger wurde, war einer der großen Kirchenfürsten der Gegenreformation. Sein Einsatz für die Mailänder Pestkranken kostete ihm sein Leben.
Im Grundriss seines 1620 begonnenen und 1654 vollendeten Kirchenbaus, wo er auch begraben wurde, wollte Guarinoni, der sehr vermögend war, die Idee der Hl. Dreifaltigkeit zum Ausdruck bringen. Guarinoni war Stadtphysikus in Hall und Leibarzt zweier Erzherzoginnen, die im adeligen Damenstift in Hall lebten. Seine schriftstellerischen Werke sind wichtige Quellen für die Kulturgeschichte der damaligen kritischen Zeit. Er beklagt darin, dass die Menschen zu seiner Zeit nicht älter als 30 Jahre werden und die Krankheiten (Pest) zunehmen. Er fordert seine Mitmenschen auf, sittlicher zu leben, um den Zorn Gottes nicht heraufzubeschwören. Er hat neben anderen merkwürdigen Heiligengeschichten (so etwa die Geschichte des von den Juden angeblich geschlachteten Anderl von Rinn) auch die Geschichte der Hl. Notburga ausgestaltet oder vielleicht sogar erfunden. Er hat darüber hinaus auch ein Buch über die Heilkraft verschiedener Weine geschrieben und dabei festgestellt, dass der Lagrein-Kretzer (Rosewein) die Unzucht fördert. Was den damaligen Tiroler Landesfürsten (Erzherzog Maximilian der Deutschmeister) dazu gebracht hat, den Anbau bzw. die Produktion dieses Weines zu untersagen.
Auf Schloss Friedberg über Volders rechts oben, das von den Schwazer Bergunternehmern Fieger im heutigen Umfang ausgebaut wurde, lebte der Hofrat und große Kunsthistoriker Dr. Oswald Trapp, Graf zu Matsch (1899-1988), Landeskonservator und Verfasser des achtbändigen Tiroler Burgenbuchs. Die Familie Trapp, die zum Tiroler Uradel gehört, hat Friedberg 1845 erworben. Heute wohnt dessen Sohn Graf Gaudenz Trapp auf der inzwischen renovierten Burg. Nicht verwandt ist die Familie der Grafen Trapp mit der Sängerfamlie des in Salzburg lebenden und in Zadar geborenen U-Boot-Kommandanten Georg Ludwig Ritter von Trapp (1880-1947) (Deutscher Heimatfilm 1956: Die Trapp-Familie; 1959 amerik. Musical: The Sound of Music; erfolgreiche Verfilmung).
Nur wenige Kilometer vor Innsbruck liegt rechts über dem Inn das uralte Hall in Tirol. Wie der Name schon sagt, hat es seinen Reichtum durch das Salz (Hall=Salz) gemacht. Die dortige Saline wird erstmals 1232 erwähnt. Die Salzlauge wurde (in Holzrohren) aus dem Halltal an das Flussufer geleitet, wo mit dem vor allem auf dem Inn angelandeten Holz in Sudpfannen das Salz gewonnen wurde. Die gut erhaltene Altstadt (Rothenburg Tirols) mit ihren vielen Klöstern zeigt, dass Hall noch vor Innsbruck der Verkehrsmittelpunkt des Inntals war. Hier begann die Innschifffahrt, die bis zum Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert von Bedeutung war. Auch die landesherrliche Münze, in der nicht zuletzt das Silber des Tals verarbeitet wurde, befand sich auf Initiative Herzogs Sigmund des Münzreichen seit 1477 in Hall (vorher in Meran). Im Münzturm der Burg Hasegg, die dem Schutz der Saline, des Verkehrs und der Münze diente, arbeitete seit dem 16. Jahrhundert die erste Großsilbermünzstätte Europas, die mit einem wassergetriebenen Walzwerk (Walzenprägemaschine) versehen war. Täglich konnten bis zu 4000 Silbermünzen (Taler, Guldiner) geprägt werden. Für die damalige Zeit eine technische Sensation. Die letzten Haller Münzen lies Andreas Hofer 1809 prägen (Andreas-Hofer-Kreuzer, Sandwirtszwanziger zu 20 Kreuzer). Dann beendeten die Bayern den Münzbetrieb.
1967 wurde der Salinenbetrieb eingestellt. Die Versuche, die Stadt zum Kurort zu machen (1938 Umbenennung in Solbad Hall) waren wenig erfolgreich. Seit 1975 führt die Stadt wieder den Namen Hall in Tirol.
Wenn wir uns Innsbruck nähern, sehen wir auf der Höhe links für kurze Zeit das Schloss Ambras (der Name leitet sich vom lateinischen ad umbras ab). Der erste Burgenbau, von dem nichts mehr zu sehen ist, stammt von den Grafen von Andechs-Meranien, die bis zu ihrem Aussterben 1248 das Unterinntal beherrscht haben und 1180 Innsbruck gründeten. Zu einem prächtigen Renaissanceschloss ausgebaut wurde Ambras von Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595, seit 1564 Landesfürst von Tirol), dem hochgebildeten Sohn des Kaisers Ferdinand, der in einer heimlichen (zweiten) Ehe die schöne, reiche und begabte Augsburger Patriziertochter Philippine Welser (1527-1590) heiratete. Philippine Welser war die Verfas-serin berühmter Kochbücher. Erzherzog Ferdinand war ein begeisterter Kunst- und Antiquitätensammler. Die von ihm einge-richtete Wunderkammer barg alle wertvollen Besonderheiten, die sich im 16. Jahrhundert auftreiben ließen. Seine Sammlung, für die er einen eigenen Bau unterhalb des Schlosses errichtete, darf weltweit als das älteste Museum bezeichnet werden, bei dem sich die Museumsstücke noch am ursprünglichen Platz befinden. Freilich nicht alle, denn als Bayern im Jahre 1805 (Friede von Pressburg) Tirol zugesprochen bekam, bemühten sich die Habsburger mit Erfolg, den wertvolleren Teil der Sammlungen 1806 nach Wien zu bringen. Napoleon hat der für Bayern schmerzhaften Aktion zugestimmt, da er der Ansicht war, es handele sich um Privateigentum des Kaiserhauses! Erzherzog Ferdinand II. und Philippine Welser bauten sich im Übrigen in Innsbruck schon zu Lebzeiten eine Grabkapelle, die als silberne Kapelle einen Verbindungstrakt zwischen Hofkirche (Schwarzmanderlkirche) und Hofburg bildet.
Über Ambras erhebt sich der Patscherkofel (2246 m) mit seiner Sendestation und seiner Olympia-Skiabfahrt. Rechts über dem Inn sehen wir die Nordkette des Karwendelgebirges mit der berühmten Hafelekarspitze (2323 m). Zu deren Füßen liegt die sogenannte Hungerburg, zu der eine aussichts-reiche Bergbahn (Hungerburgbahn, Neubau von 2007) hinaufführt.
Unter uns rechts liegt Innsbruck, mit etwa 140.000 Einwohnern nach Wien, Graz, Linz und Salzburg die fünftgrößte Stadt Österreichs (570 m) und Landeshauptstadt des österreichischen Bundeslandes Tirol. Gegründet wurde die Stadt exakt im Jahre 1180 durch die Grafen von Andechs-Meran, denen damals das gesamte Oberinntal gehörte und die 1248 ausstarben. Ihre Erben wurden die Grafen von Tirol und 1363 kam nach dem Aussterben diese Grafen von Tirol das Land mit Hilfe der Erbin Margarethe Maultasch Tirol an das Haus Habsburg. Landesresidenz war Innsbruck seit 1419, an Stelle von Meran. Meran mit der namens-gebenden Stammburg Meran war gegen-über Innsbruck verkehrsmäßig im Nachteil. Innsbruck bot sich vor allem durch seine Lage an der Brennerstraße und am Inn, der ab Hall schiffbar war, als Residenz für den damaligen Tiroler Landesfürsten Erzherzog Friedrich IV. an (dieser regierte von 1406 bis 1439). Wie andere Dynastien haben im 14. und 15. Jahrhundert die Habsburger ihre umfangreichen Besitzungen innerhalb der Familie aufgeteilt. Der Erzherzog, der den Beinamen Friedel mit der leeren Tasche hatte, regierte nicht nur in Tirol, sondern auch in Vorarlberg, im Breisgau, Elsass, Burgau und anderen Gebieten, ein Herrschaftskomplex, den man auch Vorderösterreich nannte. Dank der Silberfunde in Schwaz und Gossensass starb er als reicher Mann: sein Sohn hieß dann Siegmund der Münzreiche. Nachdem Siegmund der Münzreiche (†1496) vergeblich versucht hatte, Tirol an die reichen Herzöge von Bayern-Landshut und an den Münchner Herzog zu verkaufen, wählte der Erbe Tirols (und Burgunds!) Kaiser Maximilian, der letzte Ritter, Innsbruck zu seinem Lieblingsaufenthalt. Dort legte er zahlreiche neue Gebäude an, verschönerte das Goldene Dachl, das an seine Hochzeit mit der reichen Mailander Herzogstochter Maria Bianca Sforza im Jahre 1500 erinnern sollte. Sein von ihm entworfenes und von den besten Erzgießern des deutschen Reiches fertiggestellte Grabmal Maximilians war ursprünglich für die Wiener Neustadt (Georgskirche) bestimmt, wo Maximilian auf seinen Wunsch hin 1519 auch begraben wurde. Da sich aber die Kirche nicht für die vielen Figuren eignete, lies der Testamentsvollstrecker und Enkel Maximilians, Kaiser Ferdinand I., die Figuren und das Grabmal in die von ihm gebaute Hofkirche nach Innsbruck bringen. An dem Renaissance-Wunderwerk des Grabmals wurde wie an dem Gitter noch bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts gearbeitet. Die mehr oder weniger gewalttätigen Versuche der Innsbrucker, die Gebeine des Kaisers in die Innsbrucker Hofkirche zu bringen, waren bisher vergeblich.
Bemerkenswert in der Innsbrucker Innenstadt sind zwei Denkmäler, die mit Bayern in Verbindung stehen. Da ist zuerst die Annasäule, die an den Abzug der bayerischen Truppen (Kurfürst Max Emanuel) am Annatag des Jahres 1703 erinnern soll. Am Südende der Maria-Theresia-Straße, in der die Annasäule steht, befindet sich die so genannte Triumphpforte, die zum Andenken an die Hochzeit des ältesten Sohnes der Maria Theresia, des späteren Kaisers Joseph II. (1741-1790), erinnert. Er heiratete damals die (hässliche und dickliche) bayerische Prinzessin Maria Josepha (+1767), Tochter des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht, als Kaiser Karl VII (†1745). Vorher war Joseph mit der hübschen und von ihm verehrten Isabella (†1763) verheiratet, einer Enkelin des französischen Königs Ludwigs XV. Bei der Hochzeitsfeierlichkeit in Innsbruck 1765 starb der Gemahl von Maria Theresia und Vater des Bräutigams, Kaiser Franz Stephan von Lothringen. Sein Bild wurde an der Rückseite der Triumphpforte angebracht.
Rechts unter uns sehen wir im Stadtteil Wilten (der Name leitete sich von einer römischen Straßenstation Veldidena ab) zwei mächtige Kirchen. Ganz in Rot das Kloster Wilten, seit 1138 Prämonstratenser-Abtei, die Klosterkirche zwischen 1651-1655 erbaut. Am Eingangtor der Kirche befinden sich zwei Sagengestalten, die das Eindringen der germanischen Völker in das romanische Siedlungsgebiet symbolisieren sollen: Der bayerische Riese Haymon einerseits und der romanische Riese Thyraeus andererseits. Letzterer soll von dem Bayern erschlagen worden sein. Erfreulicher ist die ganz in Gelb gehaltene gegenüber liegende Pfarrkirche von Wilten, der schönste Rokokobau Tirols. Am Bau und an der Innenausstattung der Kirche waren auch bayerische Künstler beteiligt: So stammen von dem Wessobrunner Franz Xaver Feuchtmayr der Stuck und von dem Augsburger Matthäus Günter die Fresken.
Vor uns liegt nun der Bergisel, den wir im Tunnel unterqueren. Der Bergisel ist der Schicksalsberg der Tiroler. Er liegt an der Einmündung der Brennerstraße ins Inntal und spielte vor allem 1809 eine wichtige Rolle. In mehreren Schlachten wurden hier die Bayern, die seit 1805 (Friede von Pressburg) Tirol besetzt hatten, von den Tirolern unter Andreas Hofer geschlagen. Heute wissen wir, dass der Tiroler Aufstand von Wien aus geplant wurde, wobei der Tiroler Baron Hormayr, der später in bayerische Dienste (!) ging, die entscheidende Rolle spielte. Er brachte für die militärischen Operationen heimlich österreichische Offiziere nach Tirol und heuerte als (militärisch ungeeigneten aber prächtig anzusehenden) Oberkommandierenden Andreas Hofer an. Die Tiroler waren für den Aufstand gegen die Bayern leicht zu gewinnen: Die Bayern unter ihrem Minister Montgelas hatten Neuerungen eingeführt, die den Tirolern gar nicht schmeckten. Dazu gehörte die Einführung der Wehrpflicht, aber auch die Pockenschutzimpfung. Man wollte sich durchaus nicht impfen lassen, da man Angst hatte – so die Warnungen der Geistlichkeit –, die Bayern könnten ihnen den Protestantismus einimpfen! So kam es dann schließlich im Jahr 1809 zum Aufstand. Zeitgleich marschierten die Österreicher in Bayern ein. Österreich glaubte, Napoleon, der in Spanien Schwierigkeiten hatte, mitsamt seinen Verbündeten (darunter auch Bayern) schlagen zu können. Man spekulierte natürlich auch darauf, das lästige Bayern endgültig von der Landkarte verschwinden zu lassen. Doch auch diesmal irrten sich die Österreicher und Napoleon stand in kurzer Zeit vor Wien. Die Tiroler waren in diesem Krieg erfolgreicher als die übrigen österreichischen Truppen: sie konnten in einem Überraschungsschlag die bayerische Besatzung am 11. April 1809 mitsamt ihrem General Kinkel gefangen nehmen. Die zum Einsatz herangerückte bayerische Division Deroy wurde am 26. und 29. Mai in der so genannten zweiten und dritten Schlacht am Bergisel geschlagen und musste Tirol räumen. In einer vierten Schlacht am Bergisel wurden die Franzosen unter General Lefebvre am 13. August 1809 geschlagen. Der Weinwirt Andreas Hofer aus dem Passeier Tal regierte nun den gesamten Sommer als k. k. Oberkommandant von Tirol in der Innsbrucker Hofburg. Eigentlich nur Weinhändler und Schützenkommandant, beeindruckte er durch seinen Vollbart, seine Tracht und seine Gestalt. Besonders mutig war er nicht. Bei den Schlachten hielt er sich, mit dem Rosenkranz und einer Rotweinflasche versehen, immer im Hintergrund. Während der Bergisel-Schlachten hatte er sein Hauptquartier weit weg vom Kampfgeschehen im Schupfenwirtshaus. Von strategischen Einzelheiten hatte er keine Ahnung. Die militärischen Feinheiten überließ er den österreichischen Offizieren. Er selbst übernahm die moralische Ertüchtigung seiner Leute, indem er sie vor der Schlacht mit den folgenden Worten ermunterte: “Seids beieinander Tiroler? Nacher gehen mer’s an. Die Möß habts gheart, enkern Schnaps habts trunken, also auf in Gotts Nam!” Die heutige Forschung sieht Hofer als religiösen Fanatiker, als eine Art Terroristen. Für die Bayern war er ein Landesverräter, da er seinen Treueeid auf Bayern und seinen König geschworen hatte. Während seiner „Regentschaft” plünderten die Tiroler im Voralpenland (Kempten, Murnau, Kochel). Da er noch nach der Niederlage der Österreicher in Wagram und dem Waffenstillstand und Frieden von Schönbrunn (14. Oktober 1809) gegen den Befehl Kaiser Franz I. von Österreich den Kampf fortsetzte (zusammen mit seinen ebenso fanatischen Mitstreitern Josef Speckbacher und dem Pater Peter Haspinger), ließ ihn die Hofburg fallen. Da er persönlich offensichtlich viele Feinde und noch mehr Gläubiger hatte, wurde 1810 sein Versteck an die Franzosen verraten, die ihn am 20. Februar 1810 in Mantua erschossen. Der Verräter Franz Raffl, einer der Gläubiger des immer verschuldeten Hofers, musste freilich seinen Lebensabend als bayerischer Beamter in Ingolstadt verbringen. Die Bayern machten sich die Hände nicht schmutzig und auch die Österreicher betrachteten Hofer als eine Art Landesverräter. Sein Leichnam wurde erst durch eine Nacht- und Nebelaktion von Privatleuten (Kaiserjägeroffizieren) 1823 von Mantua in die Hofkirche von Innsbruck gebracht. Dort liegt er, zusammen mit Speckbacher und Haspinger, heute noch (samt Denkmal und eigener Kapelle). Das von einem, dem aus einer sächsischen Pfarrersfamilie mit jüdischen Wurzeln stammenden Schriftsteller Julius Mosen 1831, gedichtete und gegen Frankreich gerichtete Lied Zu Mantua in Banden ist seit 1948 die Nordtiroler Landeshymne. In Südtirol hat sie aufgrund italienischer Intervention keine offizielle Funktion. Die Melodie (unter Verwendung eines Themas aus Ludwig van Beethovens 1. Klavierkonzert) stammt von Leopold Knebelsberger (1844).
Optisch fassbarer als Andreas Hofer ist am Bergisel heute die berühmte Sprung-schanze, die dem Fernsehzuschauer von heute vor allem aus der Vierschanzentournee bekannt ist. Dort wurden schon 1927 erste Skispringen durchgeführt. Erweitert wurde die Anlage für die Olympischen Spiele 1964 und 1976. Die moderne Anlage mit einem Restaurant an der Spitze ist das Meisterwerk der Londoner Architektin Zaha Hadid und wurde 2003 fertiggestellt. Das Skistadion fasst 60.000 Personen und wird auch für andere Veranstaltungen genutzt.
2010/11 wurde am Bergisel ein großes Tirol-Museum (Tirol-Panorama) eingerichtet und mit dem dortigen Kaiserjägermuseum (Eliteeinheit zwischen 1816 und 1918) verbunden. Das im 19. Jahrhundert entstandene Riesenrundgemälde der Bergiselschlacht wurde von seinem bisherigen Standort an der Talstation der Hungerburg heraufgebracht und neu inszeniert.
Nach dem Bergiseltunnel wendet sich die Autobahn nach Süden Richtung Brenner. Sie folgt dem so genannten Wipptal, obwohl der Fluss, der das Tal durchfließt, die Sill ist. Gleich hinter dem Bergisel haben wir einen schönen Blick auf die Serles (Waldrastspitze 2718 m), dem Wahrzeichen Innsbrucks und der Altar von Tirol. Im Hintergrund ragen die Eisberge der Stubaier Gruppe auf, von denen das Zuckerhutl und der Schrankogel eine Höhe von über 3.500 m erreichen. Der Hauptort des Stubaitals ist Fulpmes, das mit Innsbruck durch die Stubaitalbahn verbunden ist. Wir überqueren die Sillschlucht auf der Europabrücke. Bei ihrer Fertigstellung 1963 war sie mit 190 m die höchste Brücke Europas. Die Länge der Brücke, die das Kernstück der Brennerautobahn bildet, beträgt 820 m, die Stützweite zwischen den Pfeilern 200 m.
Die alte und seit dem Mittelalter viel befahrene und benutzte Brennerstraße sowie die Eisenbahnlinie liegen unter uns ...