Kurzgeschichte des Dokumentationszentrums Lusérn/Breve storia del Centro Documentazione Luserna /

von Heike Arnold

von Luigi Nicolussi Castellan

Geschichte des Dokumentationszentrums Lusern

Als Bürgermeister von Lusern hatte ich im Jahr 1986 mit der Gründung eines zimbrischen Kulturinstituts, nach dem Vorbild des Instituts in Roana, begonnen und meine Freunde und Kollegen aus dem Fersental (Bernstol) zeigten Interesse an diesem Projekt. Daher beantragten wir gemeinsam bei der Autonomen Provinz Trient die Gründung eines Kulturinstitut für die beiden deutschsprachigen Gemeinschaften. Das Ladinische Institut bestand bereits seit einiger Zeit. Mit dem Gesetz Nr. 18/1987 der Provinz Trient wurde daher das Bernstoler-Zimbern-Institut gegründet (das mit dem Provinzgesetz Nr. 7/2004 in zwei getrennte Institute, das Bernstoler-Institut und das Zimbern-Institut, umstrukturiert wurde).
     Im Verwaltungsrat des Bernstoler-Zimbern-Instituts konnte sich unser Vorschlag für ein Museum in Lusern nur schwer durchsetzen (wir waren in der Minderheit: die Zimbern hatten einen Bürgermeister, die Bernstoler drei).
     Der Plan zur Fremdenverkehrsentwicklung von Lusern, der vom Gemeinderat (Beschluss Nr. 16 vom 13.05.1994) und vom Provinzialausschuss (Beschluss Nr. 4199 vom 12.04.1995) genehmigt wurde, sah unter anderem das Dokumentationszentrum des Ersten Weltkriegs und den Historischen Naturpark vor.
     Mit den Resolutionen Nr. 33, 34, 35, 36 vom 05.07.1996 beschloss der Gemeinderat von Lusern die Gründung der Kulturstiftung Centro Documentazione Luserna – Dokumentationszentrum Lusérn, überließ ihr ein Gebäude als Sitz, genehmigte ihre Statute, ernannte den Verwaltungsrat und gewährte die Leihverwaltung der Festung Werk-Lusern und deren Zubehör für 20 Jahre, mit dem Zweck, alle historischen Zeugnisse des Ortes zu erforschen und aufzuwerten sowie kulturelle Unternehmungen und Führungen zu fördern, die Lusern mit seiner Geschichte, seiner Kultur und seiner Umwelt bekannter machen und den kulturellen Fremdenverkehr und damit die örtliche Wirtschaft und die Erhaltung der lokalen deutschsprachigen zimbrischen Gemeinschaft von Lusern fördern.
     Am 6. August 1996 hat der Bürgermeister Gianni Nicolussi Zaiga im Notariat des Andrea Cimino in Trient die Stiftung Centro Documentazione Luserna – Dokumentationszentrum Lusern mit der Urkunde Nr. 8857 R.46 offiziell gegründet.
     Der Verwaltungsrat setzte sich zusammen aus dem Bürgermeister, aus vier vom Gemeinderat ernannten Mitgliedern, je einem Vertreter der Region, der Provinz, der Universität von Trient, des Bernstoler-Zimbern Instituts (später Kulturinstitut Lusern) und der Stadt Innsbruck. Der Wirtschaftsprüfer wurde vom Luserner Gemeinderat ernannt.
     Das Verwaltungsgremium war der Exekutiv-Ausschuss. Der Gründungsausschuss setzte sich aus dem Präsidenten Luigi Nicolussi Castellan (ehemaliger Bürgermeister und Initiator), dem Vizepräsidenten Prof. Nino Forenza (Historiker und Schuldirektor), dem Verwalter Arch. Paolo Zammatteo und dem ersten Wirtschaftsprüfer Rag. Ferdinando Nicolussi Paolaz zusammen.
     Am 13. August 1996 wurde den Medien und der Öffentlichkeit bei Pressekonferenzen der Regionalregierung in Trient und im Rathaus von Lusern von Conrad Rauch das Dokumentationszentrum sowie das erste veröffentlichte zweisprachige Buch Geschichte des österreichisch–ungarischen Militärwappens von Costalta vorgestellt.
     Die Gemeinde hatte der Stiftung als Anfangsvermögen 10 Millionen Lire und das ehemalige Gebäude der Trattoria Alpina zur Verfügung gestellt, das für 200 Millionen Lire von der Region Trentino-Südtirol erworben worden war und zwar auf Veranlassung des Landesrates für Sprachminderheiten und Vizepräsidenten Dr. Franz Pahl, der von diesem Projekt überzeugt war und weitere 200 Millionen Lire für die ersten Umbauarbeiten am Hauptgebäude zur Verfügung gestellt hatte.
     Schon Im Jahr 1996 fand im Tagungssaal der Gemeinde die erste Gemäldeausstellung des aus Lusern stammenden Malers Rheo Martin Pedrazza statt. 1997 wurde eine Ausstellung von Fotokopien historischer Postkarten der Hochebenen gezeigt, die von der Gemeindebibliothek von Folgaria ausgeliehen worden und an  Wänden zu sehen waren, die dank der freiwilligen Arbeit von Direktoren und Studenten zuvor vom verfallenen Putz befreit worden waren.
     Die Tatsache, dass sofort mit der Tätigkeit begonnen wurde, wenn auch mit knappen und dürftigen Mitteln, überzeugte die Region, die Umstrukturierung des gesamten Gebäudes zu finanzieren, das im Jahr 2000 offiziell eröffnet wurde.
     Während die Bauarbeiten durchgeführt wurden, fanden Ausstellungen im ehemaligen Kindergartengebäude (heute ein Minimarkt) und im kommunalen Veranstaltungssaal (heute der Bacher-Saal) statt. Im Jahre 1998 wurde eine Statutenänderung vorgenommen, um die rechtliche Anerkennung als gemeinnützige Organisation (Gesetz 460/1997) und die damit verbundenen Steuervorteile zu erwirken.
     Daraufhin wurde das angrenzende Gebäude erworben und umgestaltet. Zuletzt wurden 2013–2015 die Räumlichkeiten weiter vergrößert, wodurch wichtige neue Ausstellungsräume und ein Raum für Büro/Archiv/Bibliothek geschaffen wurden.
     In den Anfangsjahren, als die Finanzmittel für die Festanstellung von Mitarbeitern fehlten, wurde viel ehrenamtliche Arbeit von den Führungskräften geleistet. Der erste Angestellte, der für begrenzte Zeit und mit bescheidenem Gehalt beschäftigt wurde, war Dr. Christian Prezzi, der mit großer Begeisterung und Leidenschaft arbeitete, ein wahrhafter Pionier und Mitbegründer des Zentrums. Einsatz zeigten auch die nachfolgenden Mitarbeiter Manuela Miorelli, Marika Nicolussi Castellan Galeno, Lorenzo Baratter und Valentina Nicolussi Castellan. Auf Luigi Nicolussi Castellan folgte als Präsident Fiorenzo Nicolussi Castellan und in den letzten beiden Jahren Michele Nicolussi Paolaz.
     Im Laufe von 27 Jahren wurden über 60 Ausstellungen realisiert, Dutzende Tagungen und Konferenzen organisiert, Untersuchungen zur Ortsgeschichte, zum Ersten Weltkrieg, zur prähistorischen Metallurgie (mit Prof. Armando De Guio – Universität Padua) vorgenommen, 25 Bücher/CDs/DVDs veröffentlicht, über 5000 historische Fotos gesammelt und viele Dokumente, Bücher und ethnographische Gegenstände mit Bezug zum Ersten Weltkrieg gesammelt.
     Viel Material (historische Gegenstände, Dokumente, Kunstwerke) wurde uns vermacht. Mit besonderer Dankbarkeit ist zu erwähnen, dass Christine Fischer uns die Bibliothek (763 Bände) und etwa 60.000 Arbeitsblätter über die zimbrische Sprache von Lusern, der 13 Veroneser Gemeinden und der Sette Comuni Vicentini geschenkt hat. Das Werk wurde von ihrem verstorbenen Vater Cav. Hugo Resch erarbeitet, der einer der größten Erforscher der zimbrischen Sprache war. Hugo Resch gründete auch das Cimbern-Kuratorium Bayern e. V. und das Curatorium Cimbricum Veronense und unterstützte die Aktivitäten des ersten Vereins in Lusern, der sich der Wertschätzung der zimbrischen Sprache widmete, dem Circolo Culturale Mahatma Gandhi. Außerdem organisierte er Kulturreisen für Gruppen aus Deutschland, um die zimbrischen Gemeinschaften, darunter auch die von Lusern, bekannt zu machen und ihre Tourismuswirtschaft zu unterstützen – eine Tätigkeit, die von der verstorbenen Josephine Nagy und jetzt von Jakob Oßner, dem Präsidenten des Cimbern-Kuratoriums Bayern, fortgesetzt wird.
     Führungen, auch in deutscher Sprache, wurden für mehrere hundert Reisegruppen, Schülerschaften, Journalisten und Persönlichkeiten durchgeführt. Es wurden zahlreiche Fernsehberichte erstellt und Zeitungsartikel veröffentlicht, um die zimbrische Sprachinsel Lusern bekannt zu machen und Besucher nach Lusern zu ziehen (in den letzten 15 Jahren Ø 12.000 mit Spitzenwerten von 16.000), was sich vorteilhaft auf die lokale Tourismuswirtschaft auswirkte.    
     Die Vorstandsmitglieder haben immer viel ehrenamtliche Arbeit geleistet, nicht nur, um eine regelmäßige Verwaltung zu gewährleisten und Finanzmittel zu akquirieren, sondern auch, um Ausstellungen anzulegen, verschiedene Initiativen zu veranstalten und Führungen zu leiten. Manchmal arbeiteten auch Privatpersonen unentgeltlich mit.
     Niemand hat jemals eine Aufwandsentschädigung und auch keine Gelder für Vorstands- und Verwaltungsratssitzungen oder Ähnliches erhalten.  Dies geschah aus Überzeugung und um die Kosten möglichst gering zu halten.
   Die Ausstellungsräume waren morgens und abends, alle sieben Wochentage, etwa von Ostern bis Allerheiligen und um die Weihnachtszeit geöffnet, um den Fremdenverkehr auch in der Zwischensaison zu fördern. Im Sommer organisierte das Zentrum, nach Vereinbarung mit dem Eigentümer, dem Zimbern-Kulturinstitut Lusern, auch Besuche im Museum Haus von Prükk.
     Seit 2006 ist im Sommer, mit jährlichen Ausstellungen verschiedener Künstler, auch die Gemäldegalerie von Rheo Martin Pedrazza mit 35 seiner Kunstwerke geöffnet, einem ursprünglich aus Lusern stammenden und nach Wien und Stams (Tirol) ausgewanderten Maler,  und zwar im renovierten Gebäude, das er dem Kulturzentrum gestiftet hat.
     Seit 2021 bietet das Zentrum im Sommer auch Besuche in der renovierten Festung Werk-Lusern an, die sich im Besitz der Gemeinde befindet.
     Das Zentrum war auch Förderer und entschiedener Unterstützer des Comitato Unitario delle Isole Linguistiche Germaniche in Italia (Einheitskomitee der historischen deutschen Sprachinseln in Italien), das im Jahre 2002 in Lusern gegründet wurde, um gemeinsam und in synergetischer Weise Aktivitäten zur Förderung ihrer jeweiligen deutschen Sprachen zu entwickeln. Das Komitee hatte seinen Dienstsitz im Kulturzentrum.
     Der Gesetzkodex des Dritten Sektors (Gesetz 117/2017) sieht die Abschaffung von Onlus - gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsicht oder ihre Umwandlung in Vereinigungen oder ETS-Anstalten (Ente Terzo Settore) vor, die nach wie vor auf ehrenamtlicher Tätigkeit beruhen, in denen aber öffentliche Anstalten keine maßgebliche oder kontrollierende Rolle einnehmen dürfen. Im Falle von Schwierigkeiten und einer daraus folgenden Auflösung würde das Arbeitsministerium das Vermögen einer anderen ETS Anstalt zuteilen.
     Diese Möglichkeit wurde ausführlich erörtert, wobei sich jedoch herausstellte, dass es immer schwieriger wird, Ehrenamtliche zu gewinnen, die neben der beträchtlichen unentgeltlichen Arbeit auch die Verantwortung und das Risiko übernehmen würden, Ausgaben zu tätigen, bevor sie die (im Laufe des Jahres anfallenden) Mittel zur Deckung dieser Ausgaben erhielten, um mit den Osterausstellungen beginnen zu können (in der Vergangenheit musste der Präsident persönliche Bürgschaften für Bankkredite für Aktivitäten und Investitionen gewähren).
     Von Anfang an hat die Region das Zentrum großzügig unterstützt, einige Jahre später auch die Provinz. Auch die Gemeinde Lusern – Kamou vo Lusérn, das Comprensorio Alta Valsugana, jetzt Comunità degli Altipiani Cimbri (Gemeinschaft der zimbrischen Hoch-ebenen), die Fondazione Caritro, die Stiftung Sparkasse Bozen und die Cassa Rurale Caldonazzo, welche in den letzten Jahren die Cassa Rurale Vallagarina übernommen hat, haben fast jedes Jahr, regelmäßig oder gelegentlich, Beiträge in unterschiedlichem Umfang geleistet. Das Zentrum hat immer schon die Tätigkeit der IAT-Tourismus-Information und -betreuung (Informazione Assistenza Turistica) für alle Touristen, auch für Nicht-Besucher des Zentrums (mehrere tausend jedes Jahr) übernommen, wofür der Tourismusverband Alpe Cimbra, zu gewissen Zeiten, Beiträge geleistet hat. Auch Privatleute und Unternehmen haben gespendet. Allen Wohltätern und Geldgebern gilt unser herzlicher Dank und unsere Anerkennung.
     Mit Beschluss Nr. 17 vom 28. 11. 2022 schlug der Gemeinderat von Lusern vor, das Zentrum aufzulösen und dem Istituto Cimbro – Kulturinstitut Lusern das gesamte Vermögen des Zentrums (Immobilien, historisches und kulturelles Vermögen, Archive mit historischen Photographien und Dokumenten, Kunstsammlung usw.) und die Tätigkeiten, die gemeinnützig und ohne Gewinnabsicht durchgeführt werden können, zu übertragen, bevor es möglicherweise in eine ETS umgewandelt würde.
     In der Praxis handelt es sich um eine Verschmelzung durch Eingliederung des Zentrums in das Kulturinstitut Lusern, wobei alle Tätigkeiten und Vermögenswerte (mehr als 1,5 Millionen Euro) auf das Zentrum übertragen würden und somit die Gefahr einer künftigen Umwandlung in eine unserer Gemeinschaft fremden ETS vermieden würde. Auch das Institut Cultural Ladin und das Bernstoler Kulturinstitut verwalten ihre lokalen Museumsaktivitäten.
     Mit Beschluss vom 28.07.2023 (Urkundenrolle 6522 R 5041 Notar Eliana Morandi in Trient) hat der Verwaltungsrat mit Zustimmung aller Anwesenden beschlossen, das Zentrum aufzulösen und sein Vermögen dem Zimbern-Kulturinstitut Lusern zu übergeben. Nachdem die Einwilligung des Arbeitsministeriums eingeholt worden war, setzten die Vizepräsidentin Maria Elena Dallago und der Verwalter Luigi Nicolussi Castellan mit einer Urkunde desselben Notars vom 27.12.2023 (Repertorium 6699/5164) den oben genannten Beschluss um und übertrugen das Vermögen und die Aktivitäten des Centro Documentazione Luserna – Dokumentationszentrum Lusern onlus auf das Istituto Cimbro – Kulturinstitut Lusern – vertreten durch den Präsidenten Dr. Gianni Nicolussi Zaiga. Alle Beteiligten hielten dies für die beste Lösung für die Zimbrische Gemeinschaft von Lusern. Ein Wermutstropfen war, dass die einzige festangestellte Mitarbeiterin, die hervorragende Marika NCG, mit dem Wechsel vom Zentrum zum Institut, nicht übernommen werden konnte, da das Institut – eine öffentliche Einrichtung – nur im Rahmen von Ausschreibungen und nicht durch direkte Übernahme Personal einstellen kann.
     Wir alle sind davon überzeugt, dass das Istituto Cimbro – Kulturinstitut Lusern die positiven Erfahrungen des einstigen Dokumentationszentrums Lusern noch erfolgreicher weiterentwickeln wird..